Politische Würdigungen

Johannes Rauch, Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Zur gesundheitspolitischen Relevanz des Werkes und Wirkens von Jürgen M. Pelikan (1940-2023) – eine Würdigung

Es gibt wohl wenige Sozialwissenschaftler:innen, deren Konzepte, empirische Studien, Umsetzungsideen und praxisbezogene Interventionen die österreichische Gesundheitspolitik und das österreichische Gesundheitssystem so beeinflusst und verändert haben wie Jürgen Pelikan. Seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen in den Bereichen Gesundheitssystemforschung, Qualitätssicherung, Organisationsentwicklung, Gesundheitsförderung im Krankenhaus und Gesundheitskompetenz wurden schon 2017 mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.

Jürgen Pelikan gründete und leitete zunächst ab 1980 das Ludwig-Boltzmann Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie.  Dabei standen die Ärzteausbildung, die Arzt-Patient-Interaktion und die psychiatrische Versorgung im Mittelpunkt. Jürgen Pelikans Einsatz für die dringend gebotene Reform der psychiatrischen Versorgung und insbesondere für die Schaffung neuer rechtlicher Grundlagen und advokatorischer Institutionen wird von meiner Ministerkollegin Alma Zadic gesondert gewürdigt.

Auf Initiative und in enger Zusammenarbeit mit der WHO-Europa, vertreten durch Frau Prof. Ilona Kickbusch, wandte er sich in Folge der Gesundheitsförderung zu und entwickelte im Rahmen eines viel beachteten Pilotprojekts im Wiener Krankenhaus „Rudolfstiftung“ den Reformansatz des Gesundheitsfördernden Krankenhauses, der mittlerweile weltweit umgesetzt wird und für den das WHO-Kooperationszentrum für Gesundheitsförderung in Krankenhaus und Gesundheitswesen an der Gesundheit Österreich GmbH, das Jürgen Pelikan von 1992 bis zu seinem Tod leitete, weiterhin wichtige Leistungen erbringt.

Jürgen Pelikan forcierte nicht nur weitgehende Interventions- und Evaluationsforschung im Bereich des Gesundheitswesens einschließlich der Gesundheitsförderung, sondern auch die aktuell so wichtige Entwicklung von Gesundheitskompetenz in Österreich und weltweit.

Dieses Symposium mit österreichischen und internationalen Top-Expertinnen und -Experten und vielen Weggefährt:innen Jürgen Pelikans ist ein gebührender Rahmen, sein Werk und sein Wirken zu reflektieren und für die Zukunft weiterzuführen. Viele Reformvorhaben im Gesundheitswesen, die jetzt in Umsetzung sind, wurden in Grundzügen von ihm angestoßen. Wir verdanken Jürgen Pelikan sehr, sehr viel.

Ein großes Danke an die Organisatorinnen und Organisatoren für ihre Initiative, auf vielfältige Weise auf das Werk und Wirken von Jürgen Pelikan zurückzuschauen, um daraus neue Impulse für ein an Gesundheit und den Menschen orientiertes Gesundheitssystem zu gewinnen.

Gutes Gelingen!

Johannes Rauch

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Alma Zadić, Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

Wirksamer Rechtsschutz und Rechtsfürsorge für psychisch kranke und intellektuell beeinträchtigte Menschen: Eine Würdigung von Jürgen Pelikans Initiative zur gesetzlichen Institutionalisierung der heutigen Erwachsenenschutzvereine

Mit Freude habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Organisator:innen dieses Symposiums gleich im ersten Panel eine scheinbar randständige Episode im vielseitigen und vorrangig dem Thema Gesundheit gewidmeten Werk Jürgen Pelikans in Erinnerung rufen und würdigen.

Gemeint ist sein bereits in den Siebzigerjahren formulierter Vorschlag zur Gründung einer auf gesetzlicher Basis agierenden, als Verein organisierten und öffentlich finanzierten Einrichtung als Kernstück einer Reform der Rechtsgrundlagen und vor allem auch der Rechtspraxis des vormaligen Entmündigungs- und Anhalterechts. Ohne diese wichtigen Impulse hätte die unbedingt notwendige Verbesserung des Rechtsschutzes einer besonders vulnerablen Gruppe von Menschen mit Sicherheit nicht diesen Verlauf, diese Dynamik und Nachhaltigkeit entwickelt, die sie seit mehr als vier Jahrzehnten auszeichnet.

Für die konkrete Ausgestaltung und allgemeine Akzeptanz war ein weiterer innovativer Vorschlag von Jürgen Pelikan wichtig: Gemeint sind Modellversuche und deren sozialwissenschaftliche Konzeption, Begleitung und Auswertung. Diese Vorgangsweise wurde im „Modellprojekt Sachwalterschaft mit sozialwissenschaftlicher Begleitforschung“ ab 1981 erstmals in der österreichischen Rechtspolitik eingesetzt. In weiterer Folge sind Modellprojekte nicht nur in diesem Rechtsgebiet zu einer etablierten Strategie geworden.

Die nachhaltige Wirkung, die Jürgen Pelikans Idee entfaltet hat, belegt ganz offenkundig die Tatsache, dass das Bundesministerium für Justiz Jahr für Jahr erhebliche Budgetmittel für die seit einigen Jahren als „Erwachsenenschutzvereine“ bezeichneten Organisationen bereitstellt. Durch diese Mittel können die Erwachsenenschutzvereine ihre wichtige Vertretungsarbeit auf individueller und kollektiver Ebene leisten.

Jürgen Pelikans Verdienste um die Gründung, gesetzliche Verankerung und Weiterentwicklung der Institution der Erwachsenenschutzvereine können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass diese Verdienste in einem Symposium, das sich dem gesamten facettenreichen Werk von Jürgen Pelikan widmet, einen so wichtigen Platz einnehmen und wünsche der Tagung einen erfolgreichen Verlauf!