Projekt "Leben und Werk von Paul M. Neurath"

Gefördert vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF)
(Projekt Nummer P19610-G14)
Laufzeit Jänner 2007 bis Dezember 2009
Projektleitung: Univ. Prof. Dr. Anton Amann
Projektmitarbeiterin und Projektmitarbeiter: Mag.a Barbara Reiterer, Mag. David Felder, Mag. Leopold Hayer

Abstract des Antrages des Projektes "Leben und Werk von Paul M. Neurath":

Das Endziel des Projektes ist das Verfassen der ersten wissenschaftlichen Biografie über Paul M. Neurath. Die Materialbasis für dieses Vorhaben ist der wissenschaftliche und persönliche Nachlass Neuraths, der im Jahr 2002 dem „Paul F. Lazarsfeld Archiv“ am Institut für Soziologie der Universität einverleibt wurde. Die Bedeutung, die der wissenschaftlichen Arbeit Neuraths zukommt, hat verschiedene Bezüge. Dazu zählen Untersuchungen zu Bevölkerungswachstum und Wanderungen, Weltbevölkerungssituation und Ernährung, Geschichte der Soziologie und der Sozialforschung (mit einem besonderen Schwergewicht auf Lazarsfeld und Otto Neurath), die Frühgeschichte der Demografie, die Popularisierung wissenschaftlichen Wissens, und die Lehre der Methoden der Sozialforschung.

Was von einer solchen Biografie erwartet werden kann, ist, auf einer generelleren Ebene und neben der Lebensgeschichte der betreffenden Person, eine tiefere Durchdringung und ein Verständnis jener Kontexte, innerhalb derer die Migration und Remigration zahlreicher Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unter totalitären Regimes, insbesondere des Nazismus, stattgefunden haben. Weiter ist aus der Analyse des Materials eine validere Basis für die Diskussion der These zu erwarten, dass die Entwicklung der Sozialforschung in Österreich (evtl. auch in Deutschland) nach dem Zweiten Weltkrieg schlicht nur ein Import der Umfrageforschung aus den USA dargestellt habe. Darüber hinaus werden Einsichten (im Sinn einer Fallstudie) in die Art und Weise gewonnen werden, wie ein Wissenschaftler mit einer sehr breiten Erfahrung versuchte, in der Lehre die Tradition amerikanischer Colleges mit europäischer Universitätskultur zu vereinen, und diese Integration für die Studierenden in Wien (und an anderen Orten in Europa) fruchtbar zu machen. Unter einer weiteren methodologischen Sicht kann diese Biografie auch eine Brücke zwischen Otto Neuraths „Empirische Soziologie“ und der Art und Weise eröffnen, wie qualitative und quantitative Sozialforschung sich in den USA und in Europa später tatsächlich entwickelt haben (ein Vorschlag, der von Prof. Hung-Tak Lee, einem Schüler Neuraths stammt, der „Die Arbeitslosen von Marienthal“ ins Koreanische übersetzte); diese Richtung der Analyse wird tiefere Einsichten in die Frage ermöglichen, wie vormals z. T. innovative und interdisziplinäre Ansätze in der Sozialforschung teilweise zur heute institutionalisierten „Forschungsindustrie“ mutiert haben. Schließlich wird die Biografie eine lebendige Erinnerung an die Situation in den Konzentrationslagern zu unterstützen helfen, die über die Reflexionen hinausgehen kann, welche Neurath in seiner im Jahr 2004 endlich publizierten Dissertation niedergelegt hat.