Hohe Auszeichnungen der Republik Österreich für Jürgen Pelikan und Rudolf Forster

Univ.-Prof. i.R. Dr. Jürgen Pelikan

Ehrenzeichenverleihung am 07.11.2017, Fotorechte: Andreas Wenzel, BKA

Fotorechte: Andreas Wenzel, BKA

Jürgen Pelikan, Universitätsprofessor i.R. am Institut für Soziologie der Universität Wien, wurde von Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Pamela Rendi-Wagner für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen in den Bereichen Gesundheitssystemforschung, Qualitätssicherung, Organisationsentwicklung und Gesundheitsförderung im Krankenhaus sowie Gesundheitskompetenz/ Health literacy mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.

Jürgen Pelikan studierte Soziologie, Psychologie, Philosophie und Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin, an der London School of Economics and Political Science, der Universität Hamburg, der Universität Wien und am Institut für Höhere Studien. Er promovierte 1970 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien und ging im Anschluss als Postdoctoral Fellow der Ford Foundation an die Columbia University in New York. Im Jahr 1972 übernahm er nach seiner Rückkehr nach Wien, die Leitung der Abteilung für Soziologie des Instituts für Höhere Studien und gründete 1979 gemeinsam mit Hans Strotzka das Ludwig-Boltzmann Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie, welches er zu einem national und international anerkannten Forschungsinstitut ausbaute. Ende der 1970er Jahre leiteten Jürgen Pelikan und sein Forschungsteam, dem auch Rudolf Forster angehörte, wesentliche Impulse zur Psychiatriereform sowie zur Konzeption und zum Aufbau der Sachwalterschaft ein.

Jürgen Pelikan habilitierte sich 1981 im Fach Soziologie an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und wechselte im gleichen Jahr an die Verwaltungsakademie des Bundes in Wien, wo er für die Konzeption und Umsetzung für die Führungskräfteausbildung verantwortlich war.

1985 wurde er zum Universitätsprofessor am Institut für Soziologie an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien berufen. Über viele Jahre gestaltete er zukunftsstrategisch und personalpolitisch das Institut, da er lange Jahre dem Institut als Vorstand und als Vorsitzender der Studienkommission zur Verfügung stand.  Gemeinsam mit Rudolf Forster baute er am Institut für Soziologie die Forschungsspezialisierung der Medizin- und Gesundheitssoziologie auf und ermöglichte durch die enge Vernetzung mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie vielen Studierenden eine sehr forschungspraktische Ausbildung. Theoretisch ist es vor allem die Systemtheorie, die seine wissenschaftliche Haltung prägt.

Mit ihm untrennbar verbunden ist die Entwicklung des systemtheoretisch orientierten organisationalen Settingansatzes im Bereich des gesundheitsfördernden Krankenhauses, der mittlerweile weltweit umgesetzt wird. Jürgen Pelikan forcierte die Interventions- und Evaluationsforschung im Bereich des Gesundheitswesens einschließlich der Gesundheitsförderung, sowie aktuell die Entwicklung von Gesundheitskompetenz und beeinflusste und beeinflusst damit national aber auch international die aktuelle Forschungsausrichtung. Seine Forschungsprojekte sind eng verknüpft mit Consultingaktivitäten im politischen System aber auch im Gesundheitssystem und mit zahlreichen Vereinigungen wie z.B. International Sociological Association, Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Österreichische Gesellschaft für Public Health, sowie mit Fachmedien wie Health Promotion International und Oxford University Press, in denen er in unterschiedlichen Funktionen tätig ist. Seine internationale Vernetzung und vor allem seine hohe Reputation zeigt sich auch darin, dass er seit 1992 Direktor des WHO-Kooperationszentrums für Gesundheitsförderung im Krankenhaus und Gesundheitswesen ist und seit 2008 Adjunct Professor am Centre for Environment and Public Health an der Griffith University in Brisbane, Australien. Durch seine jahrelangen systematischen Forschungen im Bereich des Gesundheitssystems und durch sein vielfältiges Netzwerk leistete er einen entscheidenden Beitrag für den Aufbau des internationalen Netzwerks Gesundheitsfördernder Krankenhäuser. Seine zahlreichen Veröffentlichungen zeigen allerdings, dass seine Forschungen nicht nur von praktischer Relevanz sind, sondern im Wissenschaftssystem ihren Niederschlag finden und dadurch die Möglichkeit für Anschlussforschung bieten.

Trotz all seiner internationalen Management- und Forschungsaktivitäten war und ist ihm die Ausbildung der Studierenden am Institut für Soziologie ein zentrales Anliegen und in diesem Sinne lehrte und lehrt er auch nach seinem Ausscheiden aus der Universität Wien und betreut Dissertationen.

Neben seinen vielfältigen wissenschaftlichen Aktivitäten, die stets durch seine meisterhafte Reflexionskompetenz geprägt sind, absolvierte Jürgen Pelikan eine psychoanalytische Lehranalyse, ist affiliiertes Mitglied der Wiener psychoanalytischen Vereinigung und Lehrtrainer in der Österreichischen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsberatung. Als Gruppendynamiktrainer leitete er jahrelang zahlreiche Trainingsgruppen am Gottlieb Duttweiler Institut, Zürich sowie am Hernstein International Management Institut, Wien.

ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. Rudolf Forster

Ehrenzeichenverleihung am 07.11.2017, Fotorechte: Andreas Wenzel, BKA

Fotorechte: Andreas Wenzel, BKA

Rudolf Forster, außerordentlicher Universitätsprofessor i. R. am Institut für Soziologie der Universität Wien wurde von Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Pamela Rendi-Wagner für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen in den Bereichen Psychiatriereform, Sachwalterschaft, BürgerInnen- und PatientInnenbeteiligung im Gesundheitswesen und in der Gesundheitsförderung mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.

Rudolf Forster studierte Psychologie und Soziologie an den Universitäten Graz und Wien und absolvierte am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien an der Abteilung für Soziologie ein postgraduate Studium.  Unmittelbar nach seinem Abschluss des postgraduate Studiums übernahm er eine Assistentenstelle am IHS.

Im Jahr 1981 wechselte Rudolf Forster vom IHS an das Ludwig-Boltzmann-Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie, Wien und leitete an diesem ein Begleitforschungsprojekt über Rechtsreformen zu rechtlichen Beschränkungen und Zwangsmaßnahmen bei psychisch Kranken. Diese Arbeiten Rudolf Forsters haben wesentlich zur Entwicklung des Sachwalter-Systems beigetragen, das in seiner spezifischen Ausprägung für Österreich einzigartig ist. Nach rund 15 Jahren innovativer und erfolgreicher außeruniversitärer Forschung entschied sich Rudolf Forster, eine Stelle als Universitätsassistent am Institut für Soziologie der Universität Wien an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät anzunehmen. Er habilitierte sich zu gesellschaftlichen Hintergründen von Psychiatriereformen und dem gesellschaftlichen Wandel im Verhältnis von Psychiatrie und Recht. Gemeinsam mit Jürgen Pelikan und zahlreichen LektorInnen trug Rudolf Forster zur Verankerung der Medizin- und Gesundheitssoziologie an der Universität Wien und deren internationalem Ansehen bei.

Ab 1997 war Rudolf Forster außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Soziologie an der mittlerweile Human- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Während dieser Zeit entwickelte und leitete er ein Forschungsprojekt über die Akademisierung der LehrerInnenausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege.

Zwischen 2004 und 2005 war Rudolf Forster Visiting Professor am Department of Health and Social Care, Royal Holloway University of London. Diesem Forschungsaufenthalt folgten interessante Lehraufträge von britischen Kollegen, die Rudolf Forster ans Institut für Soziologie holte, sowie auch für einige Semester ein Studierendenaustauschprogramm zwischen Royal Holloway und dem Institut für Soziologie im Rahmen des EU-Erasmus-Programms.

Nach seiner Rückkehr aus London war Rudolf Forster wissenschaftlicher Leiter eines Universitätslehrganges für Lehrerinnen und Lehrer in der Gesundheits- und Krankenpflege und Lehrhebammen – eine Kooperation der Universität Wien mit der Stadt Wien. In diesen Jahren betrieb Rudolf Forster auch ein Forschungsprojekt über Patienten- und Angehörigenorganisationen in Österreich, in welchem erstmals die Ziele, Aktivitäten, Ressourcen und Wirkungen dieser Organisationen erhoben und analysiert wurden.

Am Institut für Soziologie übernahm er die Studienprogrammleitung für das Fach Soziologie und trug damit im Bereich der Curricularentwicklung und der Lehrplanung wesentlich zur Neuausrichtung der Soziologie an der Universität Wien bei.

Ab 2008 war Rudolf Forster Key Researcher für „User and Community Participation“ Ludwig Boltzmann Institut, das mittlerweile LBI Health Promotion Research (LBIHPR) hieß; er widmete bis 2012 seine wissenschaftliche Arbeit je zur Hälfte der Universität Wien und dem LBIHPR. Mit seinen neueren Projekten zur Partizipation von PatientInnen und Selbsthilfegruppen verfolgt Rudolf Forster wieder ein innovatives Konzept zur Stärkung individueller Autonomie und zur Demokratisierung und Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen hat Rudolf Forster 2015 im Auftrag der ARGE Selbsthilfe Österreich ein Gutachten zur BürgerInnen und PatientInnenbeteilung in Österreich erstellt und eine umfassende Partizipationsstrategie entwickelt. Dies führte aktuell zur Entwicklung der Österreichischen Service- und Kompetenzstelle für Selbsthilfe (ÖKUSS), die zur Stärkung der Partizipationskultur im Gesundheitswesen beitragen kann.

Darüber hinaus war Rudolf Forster Mitglied mehrerer internationaler Fachgesellschaften, darunter im Executive Commitee der European Society für Health and Medical Sociology (ESHMS); er war Koordinator des European Network on the Engagement of Citizen, User and Patient Organisations in Health Care and Policy (ENCUPO), und er initiierte die Gründung der Sektion Medizin- und Gesundheitssoziologie in der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS).

Es wird deutlich sichtbar, dass Rudolf Forster über die Jahrzehnte seines wissenschaftlichen Schaffens hinweg eine wirksame Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Forschung und gesellschaftlicher Entwicklung war und ist.

Neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Projekten lag Rudolf Forster die universitäre Lehre und die Förderung junger Kolleginnen und Kollegen immer sehr am Herzen. Am Institut für Soziologie war er in zahlreichen Arbeitsbereichen äußerst aktiv, lange waren es die regelmäßigen Institutsvorträge – auch Jour fixe genannt – und deren Publikation im Rahmen der Schriftenreihe des Instituts für Soziologie und auch die Lehrplanung und Integration externer Lehrender zu Wahrung eines breiten Spektrums soziologischer Perspektiven im Interesse der Soziologiestudierenden.

 

Die Ehrung unserer beiden Kollegen mit dem Großen bzw. Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ist ein erfreuliches Zeichen der Anerkennung ihrer bisherigen wissenschaftlichen Arbeit, zu der das Institut für Soziologie sehr herzlich gratuliert.

Eva Flicker und Ulrike Froschauer im Namen des Instituts für Soziologie.
Die Verleihung fand am 7. November 2017 statt.

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