Jugendliche in Stieffamilien nach einer Scheidung: Erfahrungen von Unklarheit und Ambiguität

Christian Fang und Ulrike Zartler haben ihre Forschungsergebnisse im Journal of Marriage and Family veröffentlicht.

Zielsetzung

Jugendliche erleben nach einer elterlichen Scheidung häufig Gefühle von Ambiguität, d.h. Unklarheit über die Beziehungen in ihrer Familie. Daraus entstehen Belastungen und Stress. Wir untersuchen, was zur Wahrnehmung von Ambiguität in Stieffamilienbeziehungen unter Jugendlichen beiträgt, und welche Strategien Jugendliche im Umgang mit Ambiguität anwenden.

 

Hintergrund

Stieffamilien sind sowohl durch neu hinzukommende Beziehungen als auch durch den Verlust bestehender Beziehungen geprägt. Dies ist häufig durch Unklarheiten gekennzeichnet (Ambiguität, d.h. mehrdeutige Gewinne und Verluste) und wird als belastend und oftmals unlösbar empfunden. Die häufige Annahme, dass familiäre Beziehungen in Stieffamilien nach einer Scheidung per se mehrdeutig sind, ist empirisch aber nur begrenzt abgesichert. Es ist wenig darüber bekannt, wie Jugendliche Ambiguität erleben, wie und warum Ambiguität entsteht und welche Strategien Jugendliche entwickeln, um mit Ambiguität umzugehen.

 

Methode

Es wurden halbstrukturierte Interviews mit 30 niederländischen Jugendlichen (im Alter von 16-20 Jahren) geführt, die nach einer elterlichen Scheidung in Stieffamilien leben. Die Daten wurden mittels offener, axialer und selektiver Kodierung ausgewertet.

 

Ergebnisse

Die Beziehungen zu Stiefeltern, Stiefgeschwistern und biologischen Eltern wurden besonders häufig als unklar erlebt. Zwei Hauptkategorien von Gründen trugen dazu bei, die Entstehung von Ambiguität zu erklären: Informationen (d. h. unvollständiges oder widersprüchliches Wissen über Familienbeziehungen) und Relationalität (d. h. die Art und Weise, wie Familienbeziehungen bewertet und miteinander verglichen wurden). Die Ergebnisse weisen auf potenzielle Ambiguitätsketten in Stieffamilien hin und zeigen, dass die Befragten ihre Beziehungen mit konstruierten Archetypen von Stiefeltern verglichen. Die Befragten verwendeten drei Strategien, um mit Ambiguität umzugehen: (a) Verbesserung der Beziehungen, (b) Akzeptieren von Ambiguität und (c) Schaffen von Distanz.

 

Schlussfolgerungen

Ambiguität war in Stieffamilien nach einer Scheidung üblich, beschränkte sich jedoch meist auf die Beziehungen zwischen Jugendlichen und Stiefeltern, Stiefgeschwistern und biologischen Eltern. Dies deutet darauf hin, dass in Stieffamilien unklare Beziehungsgewinne häufiger vorkommt als unklare Beziehungsverluste. Die mit der Ambiguität verbundenen negativen Gefühle könnten erklären, warum Jugendliche ihr Leben in Stieffamilien als belastend empfinden.

 

Zur Studie: is.gd/0fvOOn